LEBEN. TANZEN. FLIEHEN

2015 reist Isabel Cuesta nach Italien. Ohne Geld; ohne Job. Ihr Kontakt: Ein Theaterregisseur für Soziales Theater mit dem sie weiter an die Grenze nach Frankreich fährt. Sie, die Choreografin und Journalistin aus Kolumbien, die in Deutschland, England, Spanien gelebt hat, wollte die Situation der Flüchtlinge mit eigenen Augen sehen.  "Wir haben alles vor Ort miterlebt", erinnert sich Isabel an die Tage, die sie im Auto geschlafen und mit Flüchtlingen und Fluchthelfern gesprochen hat. Ein Artikel entsteht nicht, aber das Tanzprojekt IMPRONTE.

2019. Ende Januar treffen wir uns in einem kleinen Café in Darmstadt. Ihr Projekt wurde zuletzt vor zwei Jahren am Theater DOM La Cupola in Bologna aufgeführt. Geändert habe sich seitdem nichts, sagt Isabel über die Migrationspolititk und meint dabei nicht nur Italien, denn "was Migration betrifft, betrifft uns alle" - aktuell ist ihr Tanzprojekt weiterhin. Aufführungen finden in Darmstadt und Bad Hersfeld statt. Bisher. Isabel sucht weitere Theater, um ihr Projekt auf die Bühne zu bringen.

 

Unterteilt hat sie es in vier Stücke: "Grenze", "Identität", "Kreuzung" und "Liebe in Zeiten der Ungewissheit" - dargestellt von sechs Tänzern, einem Schauspieler und einem Geflüchteten. Musik; Videocollagen; die Erzählungen der asylsuchenden Menschen und die Aussagen von Politikern (Merkel, Orban, Le Pen) zur Migration gehören  dazu. Es ist komplex. So wie das Thema.

 

Flucht, hervorgerufen durch die Klimaveränderung,  gehört dazu. Und das Italien der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Italiener aus dem Süden des Landes nach Norditalien zum Arbeiten gingen und dort nicht gewollt wurden. "Wir vermieten nicht an Süditaliener", zitiert Isabel die Erinnerung eines Bewohners einer Siedlung in Bologna, in die damals Norditaliener untergebracht wurden. Jetzt leben dort überwiegend ausländische Migranten. Diskriminierung gebe es weiterhin, sagt Isabel, die viele Gespräche mit den Bewohnern des Viertels geführt hat.

 

Vor mehr als 20 Jahren kam Isabel aus Kolumbien nach Deutschland. In Frankfurt begann sie Medizin zu studieren. Merkte jedoch schnell: "Ich will tanzen". Sie lernt einen Tänzer und Choreografen kennen, macht in seiner Produktion mit und geht nach London an die Tanz-Akademie. Jetzt ist sie 44 Jahre alt. Als freie Choreografin hat sie in Europa und Südamerika gearbeitet. Vor fünf Jahren kam sie zum Journalismus und arbeitete für die spanische Tageszeitung El País in der Kultur- und Lokalredation. 2018 hatte sie ein Journalismus-Stipendium im Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin.

 

Journalismus und Tanz - beides miteinander zu verbinden, darin sieht Isabel viele Möglichkeiten der Vermittlung. Das "Thema Migration ist so körperlich", sagt sie: In Bewegung sein, gehen, rollen, übereinander klettern - durch all diese dynamischen Abläufe lasse sich Flucht umsetzen. Und über den Tanz, so Isabel, lasse es sich besser ausdrücken als in Worten.


Fotografien: Isabel Cuesta.


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